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Rezensionen

Das leise Sterben
 

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Die unsichtbaren Zusammenhänge zwischen Landwirtschaft und den globalen Problemen

Bei der Lektüre des Buches „Factfulness“ von Hans Rosling – zweifelsohne eine korrekte Faktensammlung zivilisatorischen Fortschritts – konnte ich mich des Gedankens an den Witz mit den Fallschirmspringern ohne Schirm nicht erwehren: Nach drei Minuten Flug sagt der eine zum anderen „na bitte, bis jetzt läuft es wunderbar“...

Martin Grassberger ist im Gegensatz zu Rosling nicht nur forensischer Mediziner, sondern auch Biologe, und sein Ansatz ist schon deshalb wesentlich umfassender. Wie Rosling stützt sich der Autor von „Das leise Sterben“ auf Daten und Fakten (jedem Kapitel folgt ein umfassendes Verzeichnis wissenschaftlicher Originalpublikationen), seine Schlussfolgerungen sind jedoch völlig andere. Es kann nicht weitergehen wie bisher.

Grassbergers Gesamtsicht auf die Ökologie des modernen Menschen endet nicht bei Gemeinplätzen wie Klimawandel oder wachsender Weltbevölkerung. Sein Verständnis von Biodiversität und ihrem globalen Verlust beispielsweise erstreckt sich auch auf die Mikroben im Boden (das Edaphon) und im Darm (nicht nur) des Menschen (das Mikrobiom). Der Autor spannt einen riesigen Bogen von den zunehmenden Zivilisationskrankheiten bis hin zu den großen globalen Problemen und führt sie kausal maßgeblich auf den Wandel in der Landwirtschaft der letzten Jahrzehnte zurück. Unbarmherzig entlarvt er die Mythen der modernen industriellen Landwirtschaft. Die „unsichtbaren Zusammenhänge“, die er aufzeigt, machen nicht optimistisch. Aber Grassberger ist kein Pessimist. Im dritten Teil des Buches macht er Hoffnung und zeigt mögliche Wege aus dem Dilemma auf.

Die Medizinstudenten von Prof. Grassberger sind zunächst verblüfft, dass sie im Fach „Evolutionäre Medizin“ mehrere Stunden lang nur von der fehlgesteuerten modernen Landwirtschaft zu hören bekommen. Sie bekommen damit aber eine fundierte, (im wissenschaftlichen und nicht esoterischen Sinne) „ganzheitliche“ Bildung vermittelt. Mit diesem Buch ist nunmehr deren Vermittlung an eine breite Öffentlichkeit möglich.