Buchhandlung Alexowsky

Suche

Tage des VerlassenwerdensOverlay E-Book Reader

Tage des Verlassenwerdens

Elena Ferrante

E-Book (EPUB)
2019 Suhrkamp Verlag
Auflage: 1. Auflage
240 Seiten
ISBN: 978-3-518-75731-4

Rezension verfassen

€ 11,99

in den Warenkorb
  • EPUB sofort downloaden
    Downloads sind nur in Österreich möglich!
  • Als Taschenbuch erhältlich
  • Als Hardcover erhältlich
Kurztext / Annotation

Olga ist achtunddreißig und verheiratet, sie hat zwei Kinder, eine schöne Wohnung in Turin und ein Leben, das solide auf familiären Gewissheiten und kleinen Ritualen ruht. Seit fünfzehn Jahren führt sie eine glückliche Ehe. Zumindest denkt sie das. Bis ein einziger Satz alles zerstört. Der Mann, mit dem sie alt zu werden hoffte, ihr geliebter Mario, will nichts mehr von ihr wissen, er hat eine Andere, eine zwanzig Jahre Jüngere. Alleingelassen mit den Kindern und dem Hund fällt Olga in einen dunklen Abgrund, dessen Existenz sie vorher nicht einmal hat erahnen können.

Was geht in einer Frau vor, die plötzlich vor den Trümmern ihrer Ehe steht? Einer Frau, die sich immer für ausgeglichen, stark und selbstbewusst gehalten hat? Elena Ferrante erzählt uns eine ganz alltägliche Geschichte als wortgewaltige Tragödie - davon, wie es ist, bei glasklarem Verstand in den Wahnsinn abzurutschen.



Elena Ferrante hat sich mit dem Erscheinen ihres Debütromans im Jahr 1992 für die Anonymität entschieden. Ihre vierbändige Neapolitanische Saga - bestehend aus Meine geniale Freundin, Die Geschichte eines neuen Namens, Die Geschichte der getrennten Wege und Die Geschichte des verlorenen Kindes - ist ein weltweiter Bestseller. Zuletzt erschienen im Suhrkamp Verlag auch Ferrantes frühere Romane Lästige Liebe, Tage des Verlassenwerdens und Frau im Dunkeln, sowie der Band Frantumaglia, der Briefe, Aufsätze und Interviews versammelt.



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1

An einem Nachmittag im April verkündete mir mein Mann kurz nach dem Mittagessen, dass er mich verlassen wolle. Wir räumten gerade den Tisch ab, die Kinder zankten wie gewohnt im Zimmer nebenan, der Hund lag vor der Heizung und knurrte im Traum. Er sagte, er sei verwirrt, er fühle sich manchmal furchtbar müde und unzufrieden, vielleicht auch gemein. Er sprach ausführlich über unsere fünfzehn Ehejahre und die Kinder und gab zu, dass er weder ihnen noch mir das Geringste vorzuwerfen hatte. Er wirkte beherrscht wie immer, abgesehen von der übertriebenen Geste seiner rechten Hand, als er mit kindischer Miene erklärte, zarte Stimmen, eine Art Flüstern trieben ihn woandershin. Dann übernahm er die volle Verantwortung für alles, zog behutsam die Wohnungstür hinter sich zu und ließ mich versteinert neben der Spüle zurück.

Die ganze Nacht lag ich verzweifelt in dem breiten Ehebett und grübelte. Doch so gründlich ich die letzten Etappen unserer Beziehung auch überdachte, ich konnte keine richtigen Anzeichen einer Krise finden. Ich kannte ihn gut, ich wusste, dass er ein ruhiger Mensch war, der sein Zuhause und unsere Familienrituale brauchte. Wir konnten über alles reden, wir umarmten und küssten uns immer noch gern, und manchmal war er so witzig, dass ich Tränen lachte. Ich hielt es für ausgeschlossen, dass er wirklich gehen wollte. Als mir dann einfiel, dass er nicht einen der Gegenstände mitgenommen hatte, an denen er hing, und dass er sogar vergessen hatte, sich von den Kindern zu verabschieden, war ich sicher, dass es nichts Ernstes war. Er machte nur eine dieser schwierigen Phasen durch, wie im Roman, wenn eine Figur auf die ganz normale Unzufriedenheit völlig maßlos reagiert.

Im Übrigen war ihm das schon einmal passiert: Die Gelegenheit und die Umstände fielen mir wieder ein, während ich mich im Bett hin und her wälzte. Viele Jahre zuvor, wir waren gerade sechs Monate zusammen, sagte er mir unmittelbar nach einem Kuss, er wolle mich nicht mehr wiedersehen. Ich war in ihn verliebt, mir gefror das Blut in den Adern, ihn so reden zu hören. Er ging fort und ich stand fröstelnd an der steinernen Brüstung unter dem Castel Sant'Elmo und betrachtete die farblose Stadt, das Meer. Fünf Tage später rief er mich verlegen an und rechtfertigte sich, er sagte, plötzlich habe ihn so ein Gefühl der Leere gepackt. Diesen Ausdruck habe ich mir gemerkt, immer wieder wendete ich ihn in meinem Kopf hin und her.

Lange Zeit später gebrauchte er ihn erneut, es war noch keine fünf Jahre her. Damals hatten wir engeren Kontakt zu seiner Kollegin Gina, einer klugen, gebildeten Frau aus sehr wohlhabender Familie, die eine fünfzehnjährige Tochter hatte und seit kurzem Witwe war. Wir wohnten erst seit wenigen Monaten in Turin, sie hatte uns eine schöne Wohnung am Fluss vermittelt. Anfangs mochte ich die Stadt nicht, sie wirkte auf mich wie aus Metall; doch bald stellte ich fest, dass man vom Balkon aus wunderbar den Lauf der Jahreszeiten beobachten konnte: Im Herbst entlaubte der Wind den Parco del Valentino, die grünen Blätter färbten sich gelb oder rot und flogen durch den Nebeldunst, segelten über die graue Folie des Po; im Frühling erhob sich eine frische und funkelnde Brise vom Fluss und brachte Leben in die neuen Triebe, in die Zweige der Bäume.

Ich gewöhnte mich schnell ein, zumal Mutter und Tochter sich von Anfang an sehr bemühten, mir jede Last abzunehmen, sie zeigten mir die Umgebung und begleiteten mich zu den Händlern ihres Vertrauens. Doch ihre Hilfsbereitschaft war nicht ohne Hintergedanken. Meiner Ansicht nach gab es keinen Zweifel, dass Gina sich in Mario verliebt hatte, dieses ganze Getue, manchmal zog ich ihn unverhohlen damit auf und sagte: Deine Verlobte hat angerufen. Er winkte mit einer gewissen Genugtuung ab, wir lachten darüber, dennoch wurde das Verhältnis zu dieser Frau enger, und es verging kein Tag, an dem sie nicht anrief. Mal bat sie ihn, sie irgendwohin zu begle