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Das Gewicht der WorteOverlay E-Book Reader

Das Gewicht der Worte

Pascal Mercier

E-Book (EPUB)
2020 Carl Hanser Verlag Gmbh & Co. Kg
576 Seiten
ISBN: 978-3-446-26667-4

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Kurztext / Annotation
'Jetzt, da er wieder eine Zukunft hatte, wollte er verschwenderisch mit seiner Zeit umgehen.' - Der neue Roman von Pascal Mercier, dem Autor des Bestsellers 'Nachtzug nach Lissabon'
Seit seiner Kindheit ist Simon Leyland von Sprachen fasziniert. Gegen den Willen seiner Eltern wird er Übersetzer und verfolgt unbeirrt das Ziel, alle Sprachen zu lernen, die rund um das Mittelmeer gesprochen werden. Von London folgt er seiner Frau Livia nach Triest, wo sie einen Verlag geerbt hat. In der Stadt bedeutender Literaten glaubt er den idealen Ort für seine Arbeit gefunden zu haben - bis ihn ein ärztlicher Irrtum aus der Bahn wirft. Doch dann erweist sich die vermeintliche Katastrophe als Wendepunkt, an dem er sein Leben noch einmal völlig neu einrichten kann. Wieder ist Pascal Mercier ein philosophischer Roman gelungen, bewegend wie der 'Nachtzug nach Lissabon.'

Pascal Mercier, 1944 in Bern geboren, lebt in Berlin. Nach Perlmanns Schweigen (1995) und Der Klavierstimmer (1998) wurde sein Roman Nachtzug nach Lissabon (2004) einer der großen Bestseller der vergangenen Jahre und in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2007 folgte die Novelle Lea. Unter seinem bürgerlichen Namen Peter Bieri veröffentlichte er, ebenfalls bei Hanser, Das Handwerk der Freiheit (2001) sowie Eine Art zu leben (2013). Pascal Mercier wurde 2006 mit dem Marie-Luise-Kaschnitz-Preis ausgezeichnet und 2007 in Italien mit dem Premio Grinzane Cavour für den besten ausländischen Roman geehrt. 2007 erhielt er die Lichtenberg-Medaille der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1

»Welcome home, Sir«, sagte der Beamte bei der Passkontrolle am Londoner Flughafen. Simon Leyland sah ihn an, wie man jemanden ansieht, der gerade etwas Wichtiges gesagt hat, etwas, was einen trifft. Er nahm seinen Pass entgegen. »Thank you«, sagte er, »thank you very much.« Langsam ging er den Gang entlang zur Rolltreppe, die hinunter zur Gepäckausgabe führte. Ab und zu trat er zur Seite, blieb stehen und betrachtete alles, als sähe er es zum ersten Mal. Auf der Treppe dann blätterte er im Pass und betrachtete sein Foto. Das letzte Mal hatte er es in seinem Arbeitszimmer in Triest betrachtet. Da war es das Foto von einem gewesen, der keine Zukunft mehr hatte. Jetzt zeigte das Bild einen Mann, für den sich die Zukunft wieder öffnete. So richtig glauben konnte er es immer noch nicht. Lange ließ er den Blick auf dem Bild ruhen und stolperte unten an der Treppe, als die gleitende Stufe, die ihn getragen hatte, unter dem festen Boden verschwand. Während er auf seinen Koffer wartete, dachte er daran, wie er den Pass in Triest in die Schublade zu den anderen Dokumenten gelegt hatte, die die Kinder finden würden. Ohne dass er es hätte erklären können, hatte er ihn mit der flachen Hand auf die Papiere gedrückt. Es war eine Bewegung der Endgültigkeit gewesen, ein Druck, der etwas besiegelte, und noch während die Bewegung andauerte, war er darüber erschrocken. Das war im September gewesen, ein glutheißer Tag voller Schirokko. Jetzt war November, und das Flugzeug war im Landeanflug durch feinen Nebel geglitten.

Leyland ging auf die Treppe zu, die hinunter zur U-Bahn führte, und blieb oben stehen. Er betrachtete das große, leuchtende Emblem der Bahn, den breiten roten Kreis, durchschnitten von einem blauen Balken mit den weißen Buchstaben UNDERGROUND. Vier oder fünf Jahre alt war er gewesen, als er es zum ersten Mal sah. Er war mit der Mutter im Zug von Oxford nach London gefahren, sie waren in Paddington Station ausgestiegen und hatten die U-Bahn genommen. Die Londoner nannten sie the tube, und sie waren stolz darauf, dass es die älteste U-Bahn der Welt war, hatte ihm die Mutter erklärt. Gebannt hatte er in die schwarze Mündung des Tunnels geblickt, an dessen Wänden Bündel von dicken, rußgeschwärzten Kabeln entlangliefen. Weit hinten im Dunkel erschienen Lichter von trübem Gelb, die immer größer und heller wurden, begleitet von einem geheimnisvollen, bedrohlichen Grollen, das immer mehr anschwoll. Als der Zug schließlich mit einer Bewegung aus dem Tunnel schoss, die wie ein Überfall war, und donnernd in die Station einfuhr, schob er ein Luftkissen vor sich her, das über den Bahnsteig fegte und das lose Papier auf dem Bahnsteig aufwirbelte. Die Luft roch nach Keller, nach Staub und Kohleofen, und doch auch ganz anders, es war ein Geruch, wie es ihn nur dort unten gab, es war der Geruch der großen, geheimnisvollen Stadt, und der Junge an der Hand der Mutter hatte die Luft tief eingeatmet.

Jetzt ging Leyland die Stufen hinunter zum Bahnsteig. Heathrow war das Ende der Piccadilly Line, und der Zug stand schon bereit. Er stieg ein und setzte sich so, dass er das Diagramm des U-Bahnnetzes sehen konnte. Er kannte das Netz auswendig, und es gab keine Station, bei der er nicht mindestens einmal ausgestiegen wäre. Der Gedanke, dass es unter dieser riesigen Stadt - so tief unten, dass man endlos lange auf den steilen Rolltreppen stand - überall Tunnel gab, in denen Hunderte von Zügen mit trüben Lichtern durch das rußige Dunkel fuhren, hatte nie aufgehört, ihn zu faszinieren, und in seinen Arbeitszimmern hatte er an der Wand stets einen Plan des Netzes aufgehängt. Sidney, sein Sohn, hatte lange vergeblich versucht, ihn zu einem mobilen Telefon zu überreden. Schließlich hatte er ihm eines zum Geburtstag geschenkt und darauf ein Programm installiert, das über Unregelmäßigkeiten in der Londoner U-Bahn informiert