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1918 - Die Welt im Fieber

Wie die Spanische Grippe die Gesellschaft veränderte | Laura Spinney

E-Book (EPUB)
2018 Carl Hanser Verlag Gmbh & Co. Kg; Jonathan Cape
384 Seiten
ISBN: 978-3-446-25958-4

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€ 13,99

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Kurztext / Annotation
Gleichen sich die Corona-Pandemie und das Schicksalsjahr 1918? Laura Spinney in ihrem Bestseller über die Spanische Grippe als weltumspannendes gesellschaftliches Phänomen
Der Erste Weltkrieg geht zu Ende, und eine weitere Katastrophe fordert viele Millionen Tote: die Spanische Grippe. Binnen weniger Wochen erkrankt ein Drittel der Weltbevölkerung. Trotzdem sind die Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik und Kultur weitgehend unbekannt. Ob in Europa, Asien oder Afrika, an vielen Orten brachte die Grippe die Machtverhältnisse ins Wanken, womöglich beeinflusste sie die Verhandlung des Versailler Vertrags und verursachte Modernisierungsbewegungen. Anhand von Schicksalen auf der ganzen Welt öffnet Laura Spinney das Panorama dieser Epoche. Sie füllt eine klaffende Lücke in der Geschichtsschreibung und erlaubt einen völlig neuen Blick auf das Schicksalsjahr 1918.

Laura Spinney, geboren 1971, ist eine preisgekrönte britische Wissenschaftsjournalistin und Romanautorin. Sie schreibt für den National Geographic, Nature und den Economist. 1996 wurde sie mit dem Margaret Rhondda Award für Journalismus ausgezeichnet. Ihr Buch Rue Centrale (2013) wurde ins Französische übersetzt. Sie lebt in London.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

»Dass die Grippepandemie 1918 nur von so kurzer Dauer war, stellte die Ärzte damals vor große Probleme (...) Seitdem sind es die Historiker, denen dieser Umstand große Probleme bereitet.«

Terence Ranger, The Spanish Influenza Pandemic of 1918-19 (2003)1

Kaiser Wilhelm II. dankte am 9. November 1918 ab, und in den Straßen von Paris jubelten die Menschen. »À mort Guillaume!«, riefen sie. »À bas Guillaume!« Tod Wilhelm! Nieder mit Wilhelm! Währenddessen lag, hoch über dem siebten Arrondissement der Stadt, der Dichter Guillaume Apollinaire auf dem Totenbett. Als herausragender Vertreter der französischen Avantgarde-Bewegung hatte sich der Mann, der den Begriff »Surrealismus« erfand und Persönlichkeiten wie Pablo Picasso und Marcel Duchamp inspirierte, 1914 als Kriegsfreiwilliger gemeldet. Nachdem er durch einen Granatsplitter eine Kopfverletzung erlitten und die anschließende Operation, bei der ihm ein Loch in den Schädel gebohrt wurde, überlebt hatte, starb er im Alter von 38 Jahren an der Spanischen Grippe und erhielt den Status »Mort pour la France«.

Das Begräbnis fand vier Tage später statt - zwei Tage nach Unterzeichnung des Waffenstillstands. Von der Kirche St. Thomas Aquinas aus zogen die Trauernden zum östlich gelegenen Friedhof Père Lachaise. »Doch als der Trauerzug die Gegend von St. Germain erreicht hatte«, erinnerte sich Apollinaires Freund und Dichterkollege Blaise Cendrars, »wurde er von einer lärmenden Menge bedrängt, die den Waffenstillstand feierte, Männer und Frauen, die singend und tanzend die Arme schwenkten, sich küssten und den berühmten Refrain schrien: »Non, il ne fallait pas y aller, Guillaume, non, il ne fallait pas y aller!«2

Der berühmte Refrain richtete sich zwar ironisch gegen den zur Abdankung gezwungenen deutschen Kaiser, war für die Freunde Apollinaires aber sehr schmerzlich.

Der Tod des Dichters steht als Metapher für das kollektive Vergessen - wir alle haben das größte Massaker des zwanzigsten Jahrhunderts aus unserem Bewusstsein gelöscht. Die Spanische Grippe infizierte jeden dritten Erdbewohner, 500 Millionen Menschen. Zwischen dem ersten Krankheitsfall, der am 4. März 1918 gemeldet wurde, und dem letzten, irgendwann im März 1920, tötete die Grippe 50 bis 100 Millionen Menschen, also 2,5 bis 5 Prozent der Weltbevölkerung - eine Spannweite, die zeigt, wie vage die Erkenntnisse über die Spanische Grippe auch heute teils immer noch sind. Im Vergleich verschiedener Ereignisse mit riesigen Opferzahlen, stellt die Spanische Grippe den Ersten Weltkrieg (17 Millionen Tote), den Zweiten Weltkrieg (60 Millionen Tote) und vielleicht sogar beide zusammen in den Schatten. Die Spanische Grippe bedeutete die größte Vernichtungswelle seit dem Schwarzen Tod im Mittelalter, ja vielleicht sogar die größte der Menschheitsgeschichte.

Doch was sehen wir, wenn das 20. Jahrhundert vor unserem inneren Auge vorbeizieht? Zwei Weltkriege, den Faschismus, den Aufstieg und Fall des Kommunismus, vielleicht einige besonders spektakuläre Episoden der Entkolonialisierung. Doch das dramatischste Ereignis von allen, obwohl es direkt vor uns steht, sehen wir nicht. Auf die Frage nach der größten Katastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts lautet die Antwort fast nie: die Spanische Grippe. Es überrascht die Menschen, wenn sie die Zahlen hören, die diese Epidemie umwabern. Manch einer denkt dann eine Weile nach und erinnert sich schließlich an einen Großonkel, der der Spanischen Grippe zum Opfer fiel, an verwaiste Vettern und Cousinen, die man aus den Augen verloren hat, an einen Zweig der Familie, der 1918 ausgelöscht wurde. Weltweit findet man auf fast allen über hundert Jahre alten Friedhöfen mehrere Gräber aus dem Herbst 1918 - wo die zweite und schlimmste Welle der Pandemie über die Welt hereinbrach - und die Erinnerung der Menschen spiegelt dies a